Lena Eppinger in Neuseeland

Lena Eppinger - Abitur 2022 - berichtet von ihrem Neuseeland-Aufenthalt 2.0

Vor ziemlich genau drei Jahren war ich auf der Rückkehr von meinem abgebrochenen High-School-Aufenthalt in Neuseeland. Schon damals durfte ich von meinen Erfahrungen als Schülerin am anderen Ende der Welt, von meinem Leben in einer neuseeländischen Kleinstadt direkt am Meer, von dem plötzlichen Ende meines Auslandsaufenthalt nach 10 Wochen und von meiner besonderen Rückreise durch den Rückholflug der Bundesregierung berichten.
Nun sitze ich hier in der spätsommerlichen, untergehenden Sonne und darf ich wieder von Neuseeland erzählen: doch dieses Mal nicht nach einem abgebrochenen Auslandsaufenthalt, sondern als Au-Pair direkt aus Neuseeland.

Schon seit meiner Rückkehr im März 2020 aufgrund des Beginns der Pandemie war es mein Wunsch, wieder nach Neuseeland zurückzukommen. Und so bewarb ich mich kurz vor meinem Abitur 2022 bei einer Au-Pair-Organisation in Deutschland.
Nachdem ich dann mein Abiturzeugnis in den Händen hielt, hatte ich meine jetzige Gastfamilie gefunden und für Ende September 2022 Flüge nach Neuseeland gebucht.
In Auckland angekommen wurde ich herzlich von meiner Gastfamilie in Kumeu, einem kleinen Vorort von Auckland, willkommen geheißen. Ich mochte sowohl meine Gasteltern als auch ihren 7-jährigen Sohn Josh auf Anhieb. Dadurch fiel es mir sehr einfach, mich bei ihnen einzuleben und mich wie ein Teil der Familie zu fühlen. Direkt in der dritten Woche nach meiner Ankunft durfte ich mit ihnen am Strand campen gehen und sie sogar vor wenigen Wochen nach Samoa (ein kleiner Inselstaat im Südpazifik) begleiten. Auch meine tägliche Routine als Au Pair macht mir Spaß. Morgens bringe ich Josh in die Schule und hole ihm am Nachmittag wieder ab, um dann mit ihm Hausaufgaben zu machen, zu spielen und an manchen Abenden für die ganze Familie Abendessen zu kochen. Einmal die Woche muss auch geputzt werden. Da diese Aufgabe jetzt nicht zu meinen Lieblingsaufgaben zählt, versuche ich immer jemanden aus der Heimat wach zu halten und zu telefonieren, damit die Zeit schneller vergeht.

Während Josh in der Schule ist, steht mir die Zeit zur freien Verfügung, in der ich nicht nur meinen alten Hobbys wieder nachgehe, die ich über die Abizeit vernachlässigt habe, sondern in der ich mich auch mit anderen Au Pairs treffe, die mittlerweile zu sehr guten Freundinnen geworden sind. Gemeinsam verbringen wir unsere freie Zeit, in der wir uns tagsüber z.B. am Strand oder zum Spazierengehen treffen. Ganz besonders sind mir mit meinen Freundinnen nicht nur die beiden Konzerte, auf die wir im letzten Monat gegangen sind, in Erinnerung geblieben, sondern auch das Rugbyfinale der Frauen Rugby Weltmeisterschaft, das die Neuseeländerinnen (oder auch „Black Ferns“ genannt) in einem spannenden Endspiel gewonnen haben. Da Rugby sozusagen die Nationalsportart hier in Neuseeland ist, war es ein absoluter Gänsehautmoment, als der Schlusspfiff fiel und das ganze Land die Mannschaft für ihren Sieg feierte.
Darüber hinaus verbringe ich viele Wochenenden nicht nur in der Umgebung von Auckland, sondern auch in Orten auf der ganzen Nordinsel, was nicht zuletzt daran liegt, dass meine Gasteltern sich sehr dafür einsetzen, dass ich so viel wie möglich von Neuseeland sehen kann. Gemeinsam mit meinen Freundinnen durfte ich fast die komplette Nordinsel bereisen, um zu wandern, zu surfen, zu baden, Filmkulissen zu sehen oder einfach die Natur zu genießen.
Zudem konnte ich über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel, die Südinsel von Neuseeland erkunden. Fast vier Wochen ging es mit einem Auto, das sicherlich älter war als wir, und Campingausrüstung im Kofferraum durch den südlichen Teil von Neuseeland. Auf unserer Reise jagte ein Highlight das andere: karibikähnliche Strände erleben, am Fuß des höchsten Berg Neuseelands stehen, nach über 1000 Höhenmetern einen spektakulären Ausblick über eine Seenlandschaft haben, auf der steilsten Straße der Welt laufen, eine Bootstour durch die Fjorde von Neuseeland machen oder durch malerische Weidelandschaften fahren.
Allerdings besteht ein Auslandaufenthalt als Au-Pair nicht nur aus ein bisschen Arbeiten und Reisen, sondern auch Erfahrungen zu machen, die zum Erwachsenwerden dazugehören. Ich denke, jeder, der schon einmal eine längere Zeit im Ausland verbracht hat, weiß, dass man in dieser Zeit ganz neue Herausforderungen bestreitet: für mich waren das zum Beispiel das Eröffnen eines neuseeländischen Bankkontos zu Beginn meines Aufenthalts oder aber auch Heimweh. Gleichzeitig führen diese Herausforderungen jedoch auch dazu, dass man sich nicht nur in einer neuen Fremdsprache verbessert, sondern auch, dass man als Person wächst und einem bewusst wird, wie dankbar man für die großen und kleinen Dinge (z.B. das deutsche Brot) im Leben und seine Familie zu Hause ist.
Noch etwa vier weitere Wochen warten auf mich, bevor es für mich zurück nach Deutschland geht. Ein Highlight in meinem letzten bevorstehenden Monat wird sicherlich ein Besuch in Thames, wo ich 2020 meinen ersten Auslandsaufenthalt als Schülerin verbracht habe. Meine damalige Gastmutter habe ich bereits wenige Wochen nach meiner Ankunft hier im Oktober in Auckland wiedergetroffen. In Thames werde ich dann nicht nur sie wiedersehen, sondern auch meine damalige Schule und meine dortigen Freunde besuchen.
Wenn ich also in vier Wochen wieder in den Flieger zurück nach Deutschland steige, ist mein Wunsch von 2020 in Erfüllung gegangen, nach Neuseeland zurückzukehren und meine unvollendete Reise zu beenden. Im Gepäck habe ich, wie auch schon letztes Mal: tolle Begegnungen, wunderschöne Erlebnisse und unvergessliche Momente.
Ob ich nach meinem Abi nochmal nach Neuseeland gekommen wäre, wenn ich damals, wie ursprünglich geplant, ein halbes Jahr geblieben wäre? Wahrscheinlich eher nicht, denn die Sehnsucht wäre längst nicht so groß gewesen. Aber so hatte ich nach der Pandemie eine zweite Chance, um noch einmal ans andere Ende der Welt zu fliegen, um Entgangenes nachzuholen, alte Freunde wiederzutreffen, vielen neuen Freunden zu begegnen und neue Erinnerungen zu schaffen.
Das Leben verläuft vielleicht nicht immer auf der kürzesten und einfachsten Route, sondern manchmal auch auf Umwegen, die letztendlich jedoch neue Chancen und Perspektiven für uns bereithalten.